13. Österreich als Demokratie

Was kennzeichnet eine Demokratie?

Der Begriff „Demokratie“ bedeutet „Volksherrschaft“. Das Gegenteil davon ist eine Diktatur, bei der ein Alleinherrscher/eine Alleinherrscherin oder eine einzige Partei alles bestimmt. Die politische Mitbestimmung und insbesondere das Wahlrecht sind die wichtigsten Merkmale einer Demokratie.

Die Ausgestaltung der österreichischen Demokratie

Artikel 1 der österreichischen Bundesverfassung legt fest: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“

Das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Männer wurde im Jahr 1907 eingeführt. Frauen durften bei den ersten Wahlen der Republik Österreich im Jahr 1919 zum ersten Mal wählen.

Die Bundesverfassung gibt allen wahlberechtigten Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern das Recht, am politischen Geschehen im Staat mitzuwirken. Wählen dürfen österreichische Staatsbürger/innen ab 16 Jahren. Bei Gemeinderatswahlen und bei Wahlen zum EU-Parlament dürfen auch die in Österreich lebenden Bürger/innen anderer EU-Staaten ihre Stimme abgeben.

Es gibt zwei unterschiedliche Formen von Demokratie: die indirekte und die direkte Demokratie

  • Indirekte Demokratie: Das Volk wählt Vertreterinnen und Vertreter für ein Parlament. In Österreich werden Abgeordnete für den Nationalrat, die Landtage und für das Europäische Parlament gewählt. Diese Abgeordneten beraten und beschließen dann die Gesetze.
  • Direkte Demokratie: Das Volk kann selbst unmittelbar über Beschlüsse des Nationalrates und wichtige Fragen für die Gesellschaft entscheiden. Die Verfassung sieht verschiedene Formen der direkten Demokratie vor (Volksabstimmung, Volksbefragung, Volksbegehren). Auch der Bundespräsident/die Bundespräsidentin wird als Person direkt vom Volk gewählt.

Wahlen und Abstimmungen gibt es in vielen Lebensbereichen: Gewählt werden zum Beispiel Betriebsräte, Klassensprecher/innen, Schulsprecher/ innen, Vertreter/innen der Eltern in der Schulgemeinschaft, Vertreter/innen der Studierenden an den Universitäten oder Interessenvertretungen.

Das Wahlrecht

Alle österreichischen Staatsbürger/innen haben ab dem 16. Geburtstag das Recht, ihre politischen Vertreter/innen im Bund, im jeweiligen Bundesland, in der eigenen Gemeinde sowie die Mitglieder des Europäischen Parlaments zu wählen. Da sie politische Entscheidungen für alle treffen, ist es wichtig, dass die Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger garantiert ist. Bei jeder Wahl gelten daher folgende Grundsätze:

Das Wahlrecht ist in Österreich

  1. allgemein: alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben ab einem bestimmten Alter das Recht zu wählen und gewählt zu werden;
  2. gleich: jede Stimme zählt gleich viel;
  3. unmittelbar: gewählt wird direkt eine Partei oder ein Kandidat/eine Kandidatin;
  4. persönlich: jede Stimme muss persönlich abgegeben werden (die Wählerinnen und Wähler können nicht jemand anderen als Stellvertreter/in zur Wahl schicken);
  5. geheim: der Name des Wählers bzw. der Wählerin ist auf dem Stimmzettel nicht vermerkt. Es kann und darf also nicht festgestellt werden, wer welche Partei und welchen Kandidaten bzw. welche Kandidatin wählt;
  6. frei: die Stimmabgabe muss frei von Zwang erfolgen.

Die Wahl des Nationalrates

Der Nationalrat besteht aus den Abgeordneten, die von den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gewählt werden.

Die Wahl der Abgeordneten zum Nationalrat heißt Nationalratswahl. Sie findet spätestens fünf Jahre nach der letzten Nationalratswahl statt. Diese Wahl entscheidet darüber, wie viele Abgeordnete die einzelnen Parteien haben. Davon hängt in der Regel auch ab, wie die Macht in der neuen Regierung verteilt ist.

Hat keine Partei eine absolute Mehrheit an Abgeordneten im Parlament, gibt es in der Regel eine Koalition aus zwei oder mehreren Parteien. Diese Parteien bilden dann die Regierung (Koalitionsregierung). Die anderen Parteien, die nicht an der Bundesregierung beteiligt sind, werden Opposition genannt. Sie kontrollieren die Bundesregierung.

Eine Regierung benötigt die Unterstützung von mehr als der Hälfte aller Abgeordneten. Denn eine Mehrheit der Abgeordneten im Nationalrat kann jederzeit die Absetzung der Bundesregierung erzwingen.

Foto der Statue der Pallas Athene vor dem österreichischen Parlament zur Illustration.
Pallas Athene vor dem österreichischen Parlament
 

Das österreichische Parlament: Gesetzgebung und Kontrolle

Für die Gesetzgebung des Bundes ist in Österreich das Parlament zuständig. Das österreichische Parlament besteht aus dem Nationalrat und dem Bundesrat.

Der Nationalrat

Im Nationalrat sitzen 183 Abgeordnete. Sie werden bei der Nationalratswahl gewählt. Die wichtigste Aufgabe des Nationalrates ist, Entwürfe von Gesetzen zu beraten und als Bundesgesetze zu beschließen. Bundesgesetze sind Gesetze, die in ganz Österreich gelten. Eine weitere wichtige Aufgabe des Nationalrates ist, die Bundesregierung zu kontrollieren. Die Sitzungen des Nationalrates und des Bundesrates sind öffentlich zugänglich. Details siehe www.parlament.gv.at.

Der Bundesrat

Der Bundesrat ist die „zweite Kammer“ des Parlaments und besteht aus Vertretern der Bundesländer. Die Mitglieder, die Bundesräte genannt werden, werden von den Landtagen entsandt. Der/die Vorsitzende des Bundesrates wird Bundesratspräsident/Bundesratspräsidentin genannt. Eine wesentliche Aufgabe des Bundesrates ist die Vertretung der Interessen der Länder im Prozess der Bundesgesetzgebung.

Der Bundesrat hat in den meisten Fällen ein aufschiebendes Vetorecht gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates. Dieses aufschiebende Vetorecht kann vom Nationalrat mit einem Beharrungsbeschluss überwunden werden.

Die Bundesversammlung

Die Bundesversammlung besteht aus den Abgeordneten des Nationalrates und den Mitgliedern des Bundesrates. Zu Ihren Aufgaben gehört zum Beispiel die Angelobung des Bundespräsidenten/der Bundespräsidentin. Außerdem kann die Bundesversammlung eine Kriegserklärung beschließen.

Die Landtage

Die Parlamente der Bundesländer heißen Landtage. Die Landtage beschließen Landesgesetze. Landesgesetze sind Gesetze, die nur für das jeweilige Bundesland gelten. Je nach Einwohnerzahl der Bundesländer entsenden die Landtage eine bestimmte Anzahl von Vertretern in den Bundesrat.

Politische Parteien

Eine politische Partei ist eine Vereinigung von Menschen mit ähnlichen politischen Zielen. Politische Parteien wollen auf den Staat und die Gesellschaft Einfluss nehmen. Deshalb versuchen die politischen Parteien, von den Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gewählt zu werden. Insbesondere vor Wahlen machen politische Parteien Werbung für ihre Ziele, aber auch Werbung für ihre Kandidatinnen und Kandidaten. Durch diese Wahlwerbung und die Parteiprogramme können sich die Wählerinnen und Wähler über die verschiedenen politischen Standpunkte informieren.

Die wichtigsten Aufgaben von politischen Parteien sind:

  1. Sie vertreten die Interessen der Bevölkerung oder die Interessen bestimmter sozialer Gruppen und Berufsgruppen.
  2. Sie wirken an der öffentlichen Meinungsbildung mit.
  3. Sie sind Teil der Regierung, oder kontrollieren als Opposition die Regierung.

Volksabstimmung, Volksbegehren, Volksbefragung

Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben die Möglichkeit, direkt bei politischen Themen mitzubestimmen. Diese Möglichkeit gibt es bei einer Volksabstimmung, bei einer Volksbefragung und bei einem Volksbegehren.

Volksabstimmung

Bei einer Volksabstimmung wird über ein Gesetz des Nationalrates abgestimmt. Die Wählerinnen und Wähler können dann mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmen. Sie entscheiden, ob das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt oder nicht. Eine bedeutende Volksabstimmung fand 1994 statt. Die Bürgerinnen und Bürger stimmten darüber ab, ob Österreich der Europäischen Union beitreten soll. Die Mehrheit (rund 66 Prozent) stimmte damals mit „Ja“.

Volksbefragung

Bei einer Volksbefragung werden die Bürgerinnen und Bürger zu einem Thema befragt. Auch hier können sie mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen bzw. aus zwei alternativen Lösungsvorschlägen wählen. Das Ergebnis ist für die Politik aber nicht bindend. Die erste bundesweite Volksbefragung in der Geschichte Österreichs war die Volksbefragung zur Wehrpflicht am 20. Jänner 2013. Dabei haben 59,7 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes gestimmt. 40,3 Prozent stimmten für ein Berufsheer. (Die Wahlbeteiligung betrug 52,4 Prozent.)

Volksbegehren

Bei einem Volksbegehren kommt die Initiative direkt vom Volk. Wenn ein Volksbegehren von mindestens 100.000 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern oder von je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Bundesländer unterschrieben wurde, muss sich der Nationalrat mit dem Thema beschäftigen. Die Inhalte bzw. Anliegen eines Volksbegehrens sind für den Nationalrat rechtlich aber nicht bindend. Über aktuelle Volksbegehren kann man sich auf der Internetseite des Parlaments informieren.

Das Bild zeigt die Hand einer Person, die ein blaues Kuvert in eine Wahlurne einwirft.
Stimmabgabe

Was bedeutet Demokratie für das tägliche Zusammenleben?

Demokratie lebt davon, dass Bürgerinnen und Bürger sich für das politische Geschehen interessieren und daran teilnehmen. Ein Teil der Bürgerinnen und Bürger muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und das politische Leben aktiv zu gestalten.

Auch bei Wahlen hat man die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten. Wahlen sind auch eine Rückmeldung an die Politikerinnen und Politiker. Als Wähler bzw. Wählerin teilt man mit seiner/ihrer Stimme mit, wie zufrieden oder unzufrieden man mit der Politik und mit den Verhältnissen im Land ist.

Alle österreichischen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen dürfen ab dem Alter von 16 Jahren zur Wahl gehen. Alle Wahlberechtigten sind automatisch in einem speziellen Register erfasst. Diese Liste liegt im jeweiligen Gemeindeamt oder Magistrat auf. Die Bürger und Bürgerinnen müssen sich nicht extra als Wähler beziehungsweise Wählerin registrieren lassen.

Eine Wahl findet üblicherweise in einem Wahllokal statt: zum Beispiel in einer Schule oder im Gemeindeamt. Wenn man wählen möchte, muss man sich im Wahllokal ausweisen, zum Beispiel mit einem Reisepass oder einem Führerschein. Unabhängige Wahlbehörden überwachen den Ablauf der Wahl.

Die Teilnahme an einer Wahl ist sehr wichtig. Wer am Wahltag nicht in der eigenen Gemeinde ist, kann mit einer Wahlkarte in jedem anderen Wahllokal wählen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit der Briefwahl. Die Briefwahl ist sowohl innerhalb Österreichs als auch aus dem Ausland möglich.

Nach der Wahl wird gezählt, wie viele Stimmen die verschiedenen politischen Parteien oder Kandidatinnen/Kandidaten bekommen haben. Die Zahl der Stimmen entscheidet, welche Parteien im Nationalrat, im Landtag oder im Gemeinderat vertreten sein werden oder wer der nächste Bundespräsident oder die nächste Bundespräsidentin wird. In einer Demokratie sind Wahltage immer spannende Tage.

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